Guten Morgen, meine werten Damen und Herren!
Ich habe wie meistens zuerst einmal darüber geschlafen, bevor ich meine meine Meinung in den Äther blase.
Mir war das Los von der ersten Sekunde an zuwider. Zuerst war ich als Gruppendritter lange auf England eingestellt, habe dann nach unserem Gruppensieg stark auf Tschechien gehofft. Bei der Türkei hatte ich kein gutes Gefühl. Der hohe Testspielsieg war eine Bürde: er kam äußerst glücklich zustande und hatte mit einem KO-Spiel nichts zu tun, er hob die Erwartungshaltung und den Druck auf uns unnötig an, den Türken war unser Spielsystem bekannt und sie waren vermutlich extra motiviert. Dazu ist die türkische Mannschaft mental sehr eigen. Geht irgendetwas schief, dann zerfällt sie in ihre Einzelteile, geht irgendetwas auf, dann ist plötzlich jeder doppelt so groß. Seit ich mich erinnern kann spielt bei denen Taktikpsychologie eine große Rolle. Die nicht gerade demütige Community in Europa trägt noch ein großes Schäuflein zu meiner Abneigung bei.
Aber zurück zum Sportlichen: ich hatte mir erwartet, dass die Sperren von Çalhanoğlu und Akaydın die Türken etwas schwächen und wir mit voller Konzentration starten, um ihnen keines dieser gefährlichen Erfolgserlebnisse zu gönnen. Nun:
der Anstoß wird wieder choreografiert ausgeführt und das äußerst schlecht. Ersatz-Standardschütze Güler findet auf Umwegen Ersatzspieler Demiral und es steht nach nicht einmal einer Minute 1:0. Kurz darauf geht eine Ecke hauchzart am langen Eck vorbei, Baumgartner wird beim Abstauber am Schussbein getroffen. Kein Pfiff, lasset das Unheil seinen Lauf nehmen…
Ich bin mittlerweile etwas abgestumpft. Schon zu oft ist Salzburg als bessere Mannschaft in einer KO-Runde ausgeschieden. Ich hasse es, mich in dem Punkt zu wiederholen, aber in KO-Bewerben ist Stabilität wichtiger als Durchschlagskraft. KO-Bewerbe sind Verlierermaschinen, an deren Ende im Fußball häufig nicht die beste Mannschaft oben steht. Wir spielen unter Rangnick (und in Salzburg ist das eigentlich auch unser Ziel) einen proaktiven und attraktiven Spielstil, mit dem wir jeden Gegner schlagen können. Aber stabil ist halt etwas anderes. Stabil war Slowenien, das gegen England und Portugal über 90 Minuten die Null halten konnte. Stabil ist Frankreich, das ohne Tor aus dem Spiel im Viertelfinale steht.
Unser Spielstil ist dazu verdammt Tragödien zu schreiben. Und wisst ihr was? Ich bin lieber ein Verlierer als mich hinten reinzustellen und durchzunudeln. Ich unterstütze liebend gern eine Mannschaft, die versucht über harte Arbeit und Zusammenarbeit zum Erfolg zu kommen und in der Stunde des größten Misserfolgs noch solch faire und menschlich großartige Interviews geben kann. Danke für all die großartigen Momente bei dieser EM!
Weil sich oben über Blumis Kommentar aufgeregt wurde: es lässt sich halt nicht von der Hand weisen, ich hatte gestern starke Basel-Flashbacks. Wie Salzburg vor einigen Jahren fehlt halt auch der Nationalmannschaft das Selbstverständnis in großen Bewerben. 2016 hatte man in der Gruppe die Hosen voll, 2021 war das Achtelfinale ein Riesenerfolg, diesmal scheiterten wir auch etwas an den eigenen Ansprüchen.
Noch kurz zum Sportlichen: mich würde die Analyse unseres Betreuerteams brennend interessieren. Denn einiges fand ich dann doch komisch. Wir sind in jedes Spiel mit einer anderen IV-Paarung gegangen und haben in jedem dann auch noch gewechselt. Mit der Verunsicherung haben sie sich abgewechselt, gestern waren beide Starter nicht gut. Zwei Rechtsfüße auf links schränkt strategisch stark ein. Es ist schon sehr umständlich zu wechseln, wenn man dann doch Flanken braucht. Die sehr geheimen Standardvarianten dürfte man sich auch für das Halbfinale aufgehoben haben.