Mit den nackten Ergebnissen kann man heuer nur zufrieden sein: 6 Punkte (1-3-2) und Gruppendritter in der Champions League, im Cup jeweils souverän weiter (1:0 immer schon vor der Pause), Tabellenführung mit 6 Punkten Vorsprung.
Dass daraus aber keine große Begeisterung entsteht, sieht man erst bei genauerer Betrachtung: zwei klare (im Sinne von klar unterlegen) Niederlagen zum Abschluss der Gruppe, im Cup wurde weniger als gewohnt rotiert, in der Liga hat man das direkte Duell mit Sturm verloren. Ich dachte zudem, dass Sturm näher an uns dran ist als die Konkurrenten in den letzten Jahren. Aber das ist gar nicht der Fall. Nach 16 Runden hatten wir 2019/20 nur 2 Punkte Vorsprung auf den LASK, 2020/21 zwei Punkte auf Rapid. Im Vorjahr hatten wir zum Vergleichszeitpunkt 8 Punkte Vorsprung auf Sturm. Was vermutlich schwerer wiegt ist der Rückgang bei den Toren. Rose hatte zu dem Zeitpunkt 37:13 und 39:13, Marsch dann spektakuläre 59:15 und 50:16, Jaissle zuerst 35:11 und jetzt 33:9. Die letzten drei Spiele wurden mit nur einem Tor Unterschied gewonnen, nur drei Spiele mit mehr als zwei Toren Unterschied. Das entspricht nicht gerade dem, was wir uns in der Liga von der Mannschaft erwarten.
Die Freude über die defensive Stabilität wird stark getrübt wenn nicht sogar überdeckt durch die Einbußen in der Durchschlagskraft. Es sieht für mich nämlich nicht danach aus, als hätte Jaissle uns defensiv stärker gemacht, sondern als hätte er durch eine weniger riskante Ausrichtung die Torszenen vorne wie hinten verringert. International stehen wir tiefer, national haben wir mehr Ballbesitz in ungefährlichen Zonen. Dazu hat sich Köhn heuer enorm stark weiterentwickelt.
Spielerisch habe ich mit der Mannschaft aktuell keine große Freude. Vorne wirken wir etwas eindimensional und ausrechenbar. Da halten wir uns mit Einzelaktionen über Wasser. Standards sind ohnehin ein leidiges Thema. Gegen den Ball fehlt mir oft die Struktur und im Pressing der letzte Biss. Da klaffen einerseits große Lücken, weil nicht alle konsequent nachschieben, und andererseits wird dann oft auch viel zu ballorientiert agiert und wir entblößen uns ballfern komplett. Das hat sich auch damit zu tun, dass wir viele verletzungsbedingte Ausfälle hatten und einige der Stammkräfte überspielt sind - was micht zu meinem neuen “Lieblingsthema” bringt:
B e l a s t u n g s s t e u e r u n g
Das wohl größte Problem im heurigen Jahr und die Wurzel vieler Übel.
Man sehe sich nur einmal die Ausfallzeiten (exklusive Langzeitverletzte und nicht eingesetzte Spieler) im heurigen Herbst an:
Da gibt es nicht viele, die immer einsatzbereit waren.
Nicht nur einmal wurden angeschlagene Spieler eingesetzt und fielen danach für längere Zeit aus. Zudem passiert keine sinnvolle Rotation. Ich sehe keinen Grund, warum Piątkowski, der in seinen wenigen Einsätzen immer stark war, jetzt sogar hinter Bernardo ist. Van der Brempt und Dedic waren nach der Vorbereitung auf Augenhöhe, nach den ersten Runden hatte Van der Brempt die Nase vorne. Aufgrund der Verletzung durfte Dedic dann quasi durchspielen und hat sich enrom gesteigert. Jetzt ist Van der Brempt komplett weg vom Fenster, obwohl der einzige Unterschied zwischen den beiden die Spielpraxis ist. Die bekommt man auf der Bank aber nur schwer. Er muss wohl warten, bis sich Dedic aufgrund der Belastung irgendwas reißt.
Im Mittelfeld werden die Alternativen sowieso maximal ignoriert.
Wenn ich die Bewertungen des Vorjahres lese, dann bin ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht. Was hat im Vergleich zum Vorjahr verbessert?
Wir kriegen immer noch einfache Tore aus Standards, wir haben noch mehr Verletzte und immer noch zu viele überspielte Stammkräfte, wir spielen immer noch alternativlos in der Raute. Selbst wenn Jaissle durch die Ausfälle zu einem dritten Stürmer gezwungen wird, spielt dieser auf der Zehn.
Ich hoffe, im Verein kann die lange Pause gut genutzt werden.