Ich will auf das gestrige Spiel im Detail gar nicht eingehen, das scheint mir eher Zeitverschwendung zu sein. Aber es gibt ein paar generelle Punkte, die ich nach der jetzt abgeschlossenen internationalen Saison festhalten will:
1) mittelfristige Kaderplanung: unter Rose hat man es geschafft gewisse Leistungsträger für das ein oder andere Halbjahr länger zu binden und das hat sich vor allem international bezahlt gemacht. Ich würde sogar vermuten, dass die eventuellen Einbußen bei den Ablösen dadurch leicht wett gemacht wurden. Marsch dagegen hat nach einem großen Umbruch (Dabbur, Schlager, Samassékou, Lainer, Wolf) quasi von vorne angefangen. Seitdem gehen aber in jedem Transferfenster die stärksten Spieler ohne erkennbarer Gegenwehr: Haaland, Minamino; Hwang; Szoboszlai. Ich frage mich, was bei dieser Herangehensweise das sportliche Ziel sein soll. Wenn man davon ausgeht, dass uns der Trainer alle zwei Jahre abhanden kommt (was ja eh positiv ist, weil sie erfolgreich sind), dann wäre wechselnd ein Aufbaujahr und ein "Erntejahr" ja eh optimal. Keine Ahnung, warum wir den Pfad verlassen haben.
2) Personal im Detail: Marsch hat als Soforthilfen Wöber, Kristensen und Bernardo gewollt/bekommen. Wöber und Bernardo haben aufgrund der Vorgeschichte einen stark fahlen Beigeschmack, Kristensen und Wöber zusätzlich aufgrund der Ablösesumme; sofort geholfen hat keiner. Vergleicht dazu einmal die Kosten-/Nutzenrechnung für Ramalho und Junuzovic. Daneben hat man viel zu lange an Spielern festgehalten, die ziemlich schnell als zu leicht befunden wurden, namentlich Okugawa, Ashimeru, Onguéné. Das Thema Torhüter will ich da gar nicht komplett aufmachen. Das ist eigentlich zu groß und mit @chrischinger86 haben wir da einen, der sich besser auskennt. Nur so viel: wenn im Sommer da nicht zwei für Ablöse gehen und einer davon auf den Namen Stankovic hört, dann vergess ich mich!
Insgesamt ist es für mich wenig nachvollziehbar welche der Spieler bei Liefering warum wann hochgezogen werden und/oder zu Einsätzen kommen.
3) Strategie & Taktik: die 'Red Bull DNA' besticht durch offensiven, intensiven und riskanten Fußball. Ob er aufgeht oder nicht, aber das ist verdammt nochmal ordentlich unterhaltsam! Will man damit aber auch etwas reißen, dann ist eine gewisse Eingespieltheit und mannschaftliche Geschlossenheit unerlässlich. Wenn ich vorne draufgehe, dann muss ich mich darauf verlassen können, dass die Spieler dahinter die richtigen Positionen einnehmen - und ich kann mich schwimmend auch nur richtig positionieren, wenn vorne wie erwartet gepresst und geleitet wird. Was uns zurückbringt zu den Punkten 1 (Eingespieltheit verlangt personelle Kontinuität) und 2 (ich brauche die richtigen Typen dafür: wenn ich beim Anlaufen drei Mal ausgespielt werde, muss ich beim vierten Mal trotzdem wieder durchziehen).
Da werden aber auch inhaltlich viele Fehler gemacht: die Fehlerkette vor dem Ausgleich gestern ist für mich nur zum Teil die Schuld der Spieler (Stankovic ausgenommen). Wenn im Pressing immer wieder durchgelaufen wird, wenn beim Stellen immer wieder zu viele Fouls passieren, wenn beim Rausrücken immer wieder das Zentrum geöffnet wird, dann sitzt die Ursache dafür auf der Bank. Ich bin mit Marsch nicht groß unzufrieden - wir jammern hier ja quasi durchgehend auf hohem Niveau -, aber der Mann hat als Cheftrainer in Europa eine steile Lernkurve. In der Gruppenphase gab's nach Spiel 3 einen großen Schritt in puncto Spielkontrolle, die Winterpause wurde dagegen zweimal komplett verschlafen; strategisch waren da keine Fortschritte zu erkennen.
Mit Bayern, Atlético, Lok Moskau und Villarreal hatte man heuer vier überdurchschnittlich erfahrene und humorlose Gegner, die noch dazu von Kapazundern wie Simeone oder Emery betreut werden. Da war nüchtern betrachtet nicht allzu viel zu holen. Über die gesamte internationale Saison haben wir in Anbetracht der xG-Werte weniger Tore geschossen und mehr erhalten, als zu erwarten wäre. Das ist natürlich auch etwas Pech, aber vor allem fehlende Erfahrung, fehlende Qualität und fehlende Mentalität - auf dem Feld und auf der Bank.
Marsch hat die Rolle als Ausbildungstrainer offensichtlich komplett angenommen, Freund hat bei seinen Entscheidungen offensichtlich hauptsächlich das Budget im Sinn. Das mag in der Krise und bei den aktuellen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse am Markt sogar richtig sein. Lange will ich da aber nicht zuschauen, wenn nicht endlich wieder etwas aufgebaut wird.