PatientZero
Leider etwas unnötige Ankündigung und Zusatzkommentar. Ich antworte auch jedem hier so sachlich und vernünftig wie möglich, also keine Sorge.
PatientZero Jaissle hat bei unserem Spielplan nur begrenzte Trainingsmöglichkeiten (in den Länderspielpausen ist praktisch keiner da) und im Kader befinden sich gerade unter den Offensivspielern kaum zwei mit vergleichbarem Profil. Wen hättest du denn gegen Lille aufgestellt um dann wen von der Bank bringen zu können?
Das ist halt leider eine billige Ausrede von mittelmäßigen bis schlechten Trainern. Wieso soll Jaissle jetzt von gewissen Kritikpunkten befreit sein, weil er a) in der Vorbereitung anscheinend keine einzige Minute an ein anderes System verwendet hat und/oder b) in den verfügbaren Einheiten und Videositzungen nicht in der Lage ist vernünftig anzupassen oder weiterzubilden. Finde den Artikel leider nicht mehr, aber Tuchel hat angeblich die Taktik für das Wolverhampton-Spiel im Flugzeug nach London gemacht und innerhalb von einer Trainingseinheit und vermutlich einer Videoschulung klargemacht, was er grundsätzlich haben will. Da sieht Jaissle mit kompletter Vorbereitung im Gepäck eben nicht gut aus, wenn er es jetzt nicht hinbekommen sollte etwas anzupassen bzw. das als überhaupt nicht möglich ansieht.
Wenn ich so aufstelle wie Jaissle, dann bringe ich eben in keinem Fall bei dem Spielstand Adamu für Sesko, das ist aber auch ein Fehler in der Kaderplanung wenn ich einen Trainer habe, der offensichtlich außer Raute nichts kennt, nur den Sesko, der im Sommer noch quasi keine KM-Erfahrung hatte und circa 10 Konterstürmer habe. Wenn Sesko raus, weil we ja angeblich so schlecht war und man von ihm nichts mehr erwartet, würde ich halt Adeyemi und Adamu breit stellen und Aaronson in der Mitte als False 9, aber doch nicht die beiden Kollegen irgendwo in den Halbraum stellen, wenn sie nie Räume hinter der Kette kriegen werden.
PatientZero Grundstaffelungen und strategische Rollen sind ja kein Selbstzweck. Eine Zahlenkombination sagt nichts darüber aus, ob ich modern spiele. Modern spielt, wer gegen möglichst viele Gegner passende Lösungen findet.
Das ist natürlich völlig richtig, es ging hier in dem Fall aber wieder mal darum, dass man ein komisches Gegentor bekommt und dann wie auch in der Liga zuvor exakt keine Lösung hat, wie man den tiefstehenden Gegner in Gefahr bringen möchte, daher habe ich hier die aktuellen Meta-Ballbesitzsysteme genannt.
PatientZero Pep Guardiolas Spielweise ist außergewöhnlich erfolgsstabil gegen individuell unterlegene Teams, fällt aber gegen Mannschaften auf Augenhöhe schon stark ab. Außerdem versemmelt er Auswärtsspiele der Champions League mit einer fast schon tragikomischen Regelmäßigkeit.
Das ist auch richtig, aber auch definitiv nicht was ich propagieren möchte, meine persönliche Philosophie beinhaltet gegen individuell überlegene oder gleichstarke Gegner auch immer noch sehr viel von dem klassischen Red Bull-Stil. Davon soll man gegen die eigentlichen CL-Gegner auch überhaupt nicht abweichen, in dieser Gruppe ist das halt auch ein bisschen ad absurdum geführt worden, da Lille und Wolfsburg grundsätzlich schon kein riesiges Problem damit hatten tief zu verteidigen und man in beiden Auswärtsspielen durch komische Gegentore sich dazu noch in Rückstand gebracht hat.
Der Stil wird aber dann nutzlos, wenn der Gegner nur hinten drin steht dank Führung oder grundsätzlicher Ausrichtung wie in der Liga und/oder das eigene Pressingschema vom Gegner komplett ausgehebelt wird und trotzdem keine Anpassung stattfindet, habe z.B. gerade nochmal 10 Minuten vom Wolfsburg-Spiel durchgeskippt und teilweise rennen die Stürmer zu zweit an und wundern sich, warum der einen easy 5m Pass auf den dritten Verteidiger spielen kann.
Dann braucht man eben die Ballbesitzelemente. Und grundsätzlich kannst du mMn eher einer starken Ballbesitzmannschaft entsprechend zusätzlich beibringen in diesen Spielen simpel die schnellen Bälle in die Lücken und auf Konterstürmer zu spielen, als einer Mannschaft, der du Umschalten und lange Bälle primär zeigst auf einmal ganz fix Lösungen mit Ball an die Hand zu geben. Eine Mannschaft, die das beides sehr sehr gut kann, ist in meinen Augen dann das perfekte moderne Team. Nur leider gibt es auf dem Toplevel kaum Trainer, die so denken bzw. alles beibringen können oder wollen. Hasenhüttl wirkte auf mich mal wie so einer, nur ist die Premier League im Vergleich zu seinem Team viel zu stark, als dass er da bisher sonderlich viel Wert auf Ballbesitz legen müsste.
Also, es ging mir hier nicht darum, den totalen Ballbesitzfußball zu propagieren, denn wenn man sich z.B. die DAZN-Show mit Rangnick und Nagelsmann angeguckt hat, merkt man, wie ein Nagelsmann eigentlich nur an Ballbesitz, Gegenpressing und Restverteidigung denkt; dass ein individuell gleichstarker oder überlegener Gegner seine Mannschaft auch mal reindrängen könnte bzw. stark genug ist, den eigenen Ballbesitz durch Pressing zu unterbinden, spielt da eine komplett untergeordnete Rolle. Klar kann man jetzt sagen, das ist worauf sich da in der Sendung fokussiert wurde, aber es wird einfach untermalt durch die Aufstellungen und Ergebnisse gegen solche Teams mit Leipzig, Double False 9 Olmo/Nkunku gegen Liverpool, Cupfinale 3-5-2 mit einem Dreiermittelfeld Kampl, Sabitzer, Olmo. Das ist genauso wenig erfolgsversprechend wie gegen Mauergegner zu versuchen Tiefenläufe von Sprintern hinter eine am 16er geparkte Kette zu bekommen.
In dem verlinkten Spielverlagerung-Artikel wurde auch Bezug auf frühere Klopp vs. Guardiola Spiele genommen, wo sich eben auch gezeigt hat, dass bei individuell ähnlichen Teams die Pressingmaschine gegen die auf Krampf ballbesitzfokussierte Mannschaft recht gut aussieht, was du natürlich auch richtig suggeriert hast, auch wenn ich nochmal beiläufig erwähnen will, dass viele der so unfassbar kritisierten Umstellungen schon ihre Gründe haben, als das System stumpf durchzuziehen v.a. gegen Lyon war es absolut verständlich, wobei er dafür natürlich mit dem Hybrid-Verteidiger jetzt noch eine simplere und bessere Lösung gefunden hat als stumpf auf volle Fünferkette gegen den Ball zu stellen.
Es ging hier bzgl. Jaissle aber eben wiedermal um die absolut nicht vorhandene Fähigkeit, einen tiefen Gegner irgendwie in Gefahr zu bringen, was schon recht schade ist. Daher habe ich darüber geredet und entsprechende Beispiele genannt, nicht weil ich das jetzt gegen jeden Gegner von 1. Cuprunde auf dem Dorfplatz bis zu Etihad oder Anfield fordern will.
PatientZero Welche großartigen Lösungen hättest du gegen individuell stärkere Gegner wie Wolfsburg und Lille auswärts gehabt?
Gegen Wolfsburg kam man zu der Zeit als es 1:1 stand immer noch zu z.B. 3v3 Kontern, also ja, da brauchte man nicht unbedingt eine geile Ballbesitztaktik, wenn man einen von denen vernünftig ausspielt und reinmacht statt wieder einen zu kassieren beschwert sich keiner. Bei beiden Spielen hat sich aber auch wieder die offensichtlichste Schwäche der Raute gezeigt, nämlich das tiefe Verteidigen, drei Spieler können nahezu unmöglich die Breite abdecken, v.a. wenn der Gegner doppelte Außen hat. Bei RBS geht das noch oft klar, weil die Leute alle auf Pressing und Rennen gedrillt sind (und bisher kein Gegner dabei war, der einen mit solchen starken Flügeldopplungen mal nachhaltig reingedrückt hat), aber ideal ist es nicht. Rose hat z.B. oft in der Raute vorne pressen lassen und dann tief zwei normale Viererketten gestellt.
Aber es kann ja nicht sein, dass man sich komische und vermeidbare Tore fängt und dann keine Idee mehr hat? In dem Moment, in dem der Gegner sich derart zurückzieht ist es ziemlich egal, ob die nun auf dem Papier etwas stärker sind. Da muss man dann die Lösungen haben. Gegen Wolfsburg hätte ich hier wohl das erwähnte 3-2-5 gewählt, ich bin nicht sicher ob Kristensen als offensiver Inverted Wingback technisch stark genug ist, zur Not könnte man aber auch die Nagelsmann-Version ziehen und Seiwald tiefer, Okafor Halbraum und Kristensen hoch an der Linie. Gegen Lille kann man dasselbe machen, oder persönlich mag ich gegen 4-4-2 auch 3-Raute-3 um noch mehr Personal zwischen den Ketten zu haben.
Da es hier leider zu Missverständnissen gekommen ist, meine ich damit natürlich immer nur die Formation in Ballbesitz, der Witz an der Sache ist ja, dass man dank der "modernen" Nutzung der Außenverteidiger tief ganz normal in den soliden 4-3-3, 4-2-3-1 oder 4-4-2 verteidigen kann. So eine Rolle könnte z.B. Ulmer übertrieben gesagt auch spielen bis er 40 ist und man müsste nicht zufrieden sein, wenn er nicht komplett abfällt. In dem Alter jetzt klassichen AV in 4-Raute zu spielen geht halt kräftemäßig eigentlich gar nicht.