90minuten: Dabei hätte es einige Möglichkeiten gegeben, nach Jaissle, Struber, Cinel und Lijnders. Wie gehen Sie damit um? René Aufhauser ist ja eine Vereinslegende…
Aufhauser: Das ist schwer zu beschreiben. Die Trennung vom FC Liefering im Sommer 2022 ist überhaupt nicht gut verlaufen, vielleicht ist da irgendwo auch etwas bei Red Bull Salzburg hängen geblieben, das der Verein nicht so gut gesehen hat. Darum hat es nie mehr Kontakt gegeben, obwohl ich alles von nicht allzu weit weg verfolge. Aber ich habe mich auch vom ganzen Fußballbereich ein wenig entfernt.
90minuten: Darüber möchte ich gleich reden, weil es, glaube ich, schon eine sehr interessante Geschichte ist. Aber bleiben wir noch bei Salzburg. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie Ihren alten Arbeitgeber?
Aufhauser: Es hat für mich persönlich immer noch einen bitteren Beigeschmack. Emotionen sind schwierig in dem Bereich, weil alles sehr professionell aufgezogen ist. Ich bin wegen der Sache damals niemandem von Red Bull Salzburg böse.
90minuten: Ich denke, man kann das verstehen. Sie haben 306 Spiele für Salzburg absolviert. Darum: Was läuft da gerade unrund?
Aufhauser: Also das Ganze ist nicht erst im letzten halben Jahr passiert, die Ursachen liegen weiter zurück. Als ich noch im Verein war, hat es immer wieder ganz gravierende Veränderungen gegeben, speziell im Sommertransferfenster, als viele (junge) Stars immer wieder gegangen sind. Aber es gab einen Unterbau, der durch kontinuierliche Arbeit im Stand war, die Lücken vernünftig zu schließen. Die jungen Spieler, die nachgekommen sind, haben immer eine intakte Mannschaft vorgefunden, also von der Spielweise und der Hierarchie her. In den letzten zwei Jahren war das nicht mehr so der Fall, vielleicht ist auch die Qualität der Jungen nicht mehr so, wie es war.
90minuten: Beides liegt auch sicher an Verletzungen oder Ausfällen, die es früher nicht so in der Größenordnung gegeben hat.
Aufhauser: Ja, aber darüber hinaus war das Thema ältere Spieler immer umstritten. Man braucht erfahrene Spieler, um die Jungen heranzuziehen. Die Stabilität mit Talenten und Säulen muss passen. Da rede ich nicht von 30 plus, aber Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren, eine Stabilität nach innen haben und diese nach außen übertragen, die Jungen an der Hand nehmen und führen können.
Wenn 80, 90 Prozent des Kaders aus der gleichen Generation kommt, ist es schwer, wenn der eine dem anderen in der Kabine einmal etwas sagt und die Steuerung ist schwierig. Wenn einer 26 Jahre alt ist und schon drei Jahre beim Verein ist, kann der in der Kabine schon einmal aufstehen und etwas sagen. Die Ramalhos, Junuzovics, Walkes, Ulmers und Wöbers gibt es nicht.
90minuten: Wann ist dieser Faden gerissen?
Aufhauser: Ich glaube schon, dass es im letzten Jahr von Matthias Jaissle angefangen hat. Es wurde mit den Jungen zu extrem und man hat die gestandene Achse, an der sich die Jungen orientieren können, nicht mehr adäquat nachbesetzt. Man könnte da auch Spieler zurückholen, weil ohne die Mischung hätten sich ein Laimer, Schlager, Daka oder Haaland ja auch nicht so entwickeln können. Da hat das Grundkonstrukt gepasst. Jetzt geraten sie schnell unter Druck.
0minuten: Inwiefern aus Ihrer Sicht?
Aufhauser: Salzburg hat ja die eigene DNA in den letzten Monaten total verloren. Früher konnte man ohne zu wissen, in welcher Farbe die Teams spielen, wissen, wer die Bullen sind. Man war passiv und hat auf Umschaltspiel nach Ballgewinn gesetzt und somit Mittel angewandt, die viele Gegner in der Vergangenheit eigentlich immer gegen uns eingesetzt haben. Man hat sie mit den eigenen Waffen geschlagen. Intensives Spiel, hohes Anlaufen und vertikale Pässe, mutig vorwärts verteidigen – das habe ich in den letzten Monaten vermisst.
Das geht dann nicht von heute auf morgen, man muss die Spieler dorthin pushen, dass sie mutig sind. Momentan stehen wir in unserer eigenen Hälfte, früher sind wir 70 Prozent in der gegnerischen Hälfte gestanden. Klar läuft der Gegner dann zweimal alleine aufs Tor, aber dieses Risiko ist man eingegangen – wenn man davor zwei Tore macht. Das Spiel war viel attraktiver, Salzburg hat sein Erkennungsmerkmal verloren.