Na gut, dann beschäftigen wir uns halt mit der Türkei. Es bleibt uns ja nichts anderes übrig…
Die Türken liefen in allen drei Gruppenspielen offiziell in einem 4-2-3-1 auf das Feld. Yılmaz (21), der als Flügelspieler jedes Mal an vorderster Front startete, macht durch sein Ausweichen daraus ein etwas schiefes Gebilde. Aber wie sagte ich schon gestern zu meiner besseren Hälfte? Fangen wir doch bitte von hinten an:
Im Tor startete gegen Georgien Günok (1), dann (wegen seinem Patzer beim Ausgleich?) gegen Portugal Bayındır (12) und abschließend gegen Tschechien (wegen dem kuriosen Eigentor?) wieder Günok. Der hat beim Ausgelich erneut nicht gut ausgesehen, als was nun? Im Testspiel im März stand übrigens Çakır zwischen den Pfosten, der als Dreier auch noch dabei ist. Ich erstarre ob dieser Auswahl nicht vor Ehrfurcht.
In der Verteidigung spielt links Kadıoğlu (20) eine ganz starke EM, daneben in Bestbesetzung der kopfballstarke Bardakcı (14), der gegen uns gesperrte Akaydın (4) und rechts der ebenfalls groß aufspielende Müldür (18). Für Akaydın wird höchstwahrschenlich Demiral (3) einspringen, der ihn schon gegen Portugal von der Bank kommend vertrat und gestern gegenüber Bardakcı den Vorzug bekam.
Im Test spielten ebenfalls Müldür und Demiral, die linke Seite war anders besetzt.
Im Mittelfeld reißt Kapitän Çalhanoğlu (10) mit seiner Sperre natürlich ein großes Loch. Er startete zweimal neben dem eigentlichen IV/RV Ayhan (22) auf der Doppelsechs und abschließend gegen die Tschechen seiner Nummer entsprechend etwas höher. Wobei Doppelsechs ohnehin keine wirklich passende Beschreibung ist. Kökçü (6), der im Verein auch tiefer agiert, war als Zehner da immer nahe dran und es ist eher ein Trio. Gegen Tschechien begannen im Zentrum hinter Shahnahlohlu Yüksek (16) und Özcan (15). Ich erwarte mir auch einen der beiden gegen uns. Links zaubert der Youngster und gelernte Stürmer Yıldız (19) von Juventus und wird bei schwindenden Kräften von Aktürkoğlu (7) vertreten. Rechts gilt praktisch dasselbe mit anderen Namen: Güler (8), aufgehender Stern bei Real (#cometobesiktas), als Backup Akgün (25). Übrigens beide Linksfuß! Das könnte spannend werden gegen Mwene, außerdem ziehen sie gerne nach innen.
Im Sturm startet wie bereits erwähnt Yılmaz (21). Der nominelle Flügelspieler weicht seinem Naturell entsprechend gerne aus, meist nach rechts, und hat - man höre und staune - alle drei Gruppenspiele durchgespielt. Das ist für einen Stürmer doch ungewöhnlich, spricht aber nicht gerade für rekordverdächtige Intensität im Pressing.
Somit ergibt sich für mich folgende wahrscheinliche Startelf:
Yılmaz (21)
Yıldız (19) - - - - Kökçü (6) - - - - Güler (8)
Yüksek (16) - - - Ayhan (22)
Kadıoğlu (20) - Bardakcı (14) - Demiral (3) - Müldür (18)
Günok (1)
Ich habe mir abgesehen von den Highlights nichts freiwillig von den türkischen Spielen angesehen. Deren Mentalität geht mir einfach dermaßen gegen den Strich. Aber in den besagten Kurzausschnitten ist mir folgendes aufgefallen:
Die türkische Nationalmannschaft verteidigt mit vielen Spielern hinter dem Ball im 4-5-1 oder 4-4-1-1, ist dabei aber auffallend raumorientiert und oftmals sehr passiv. Der Ballführende wird eher nur geleitet, ballfern wird gerne nur der Kugel nachgeschaut und auf die Gegenspieler vergessen bzw. auf Bewegungen derer nicht reagiert.
Beweisstück A: beim Ausgleich der Georgier wird das Dribbling halbherzig nach außen geleitet (man beachte wie die überspielten Spieler einfach abstellen) und im Sechzehner können sich die Angreifer schön zwischen den Linien freistellen:
Bei der Großchance zum erneuten Ausgleich sind zwar alle Feldspieler zwischen Ball und Tor, es geht aber trotzdem verdammt einfach durch die Mitte:
Gegen Portugal gab es eine vergleichbare Szene, wo es nach einfachem Doppelpass brenzlig wurde. Wieder wird halbherzig attackiert, wieder werden Angreifer zwischen den Linien alleine gelassen. Es bleibt aber ungestraft, weil der offensichtliche Assist nicht gespielt wird (sondern auf Ronaldo gelupft wird):
Kein Druck auf den Ballführenden ist natürlich auch eine große Einladung zu Bällen hinter die Abwehr. Wenn diese sich dabei nicht abgestimmt fallen lässt, können Angreifer mit halbwegs gutem Timing mit großem Vorsprung einlaufen. So entstand in der Partie der Endstand:
Bei den weiten Einwürfen der Tschechen sah man auch diese starke Ballorientierung und diese Passivität. Das sind Standbilder vom Einwurf und dem ersten und zweiten Ballkontakt vor dem Ausgleich. Wüd, sog i eich, wüd!
Eine erstanuliche Szene war dann noch das Eigentor. Aber nicht das Tor an sich, sondern die Staffelung in der Entstehung. Da wurde auf den Torwart durchgepresst. Aber anstatt hinten wir erwartet im Raum zu verteidigen, waren alle Feldspieler mannorientiert unterwegs. Dadurch wird die eigene Formation natürlich massiv gestreckt. Da ist der lange Ball gerade in der Luft (die erste Pressinglinie ist nicht am Bild):
Fazit: die Türken sind eine Mannschaft, die sehr stark über ihre Leidenschaft kommt und offensiv stark von der individuellen Qualität der Akteure abhängig ist. Ich hoffe, dass wir uns einfach ganz konsequent auf den Gegner vorbereiten und ihn humorlos hinter uns lassen. Ein intensiver Beginn könnte dabei schon die halbe Miete sein, denn mit Rückständen oder Rückschlägen können sie schlecht umgehen.